Radikalisiert euch!
16.10.2021, 10-22 Uhr, Offene Arbeit Erfurt
Radikalität wird oft als Bedrohung eines guten Zu-
sammenlebens gesehen. Wir denken, Radikalität ist
nötig, um ein gutes Leben für alle überhaupt erst
möglich zu machen.
Radikalität bedeutet erstens: Kritik der bestehende n
Verhältnisse, die sich nicht nur an der Oberfläche
abarbeitet (also beispielsweise nur Diskriminierung
und Armut kritisiert), sondern nach Ursachen sucht
zum Beispiel Klassengesellschaft und Kapitalismus.
Radikalität bedeut zweitens: Praxis, die auf die B e-
seitigung dieser Ursachen ausgerichtet ist. Wir stre-
ben ein politischen Handeln an, das auf grundsätzli-
che gesellschaftliche Veränderungen und nicht nur
auf kosmetische Korrekturen zielt! Deswegen sagen
wir: «Radikalisiert euch!» als Aktivist*innen, in
der Zivilgesellschaft, im Alltag im Ringen um eine
radikale Kritik, die auch praktisch werden kann, im
Beharren auf dem Verlangen nach einem ganz ande-
ren Ganzen, in der Abgrenzung zum Bestehenden.
Aber wie kann das gehen? Fördermittel, Sachzwän-
ge, Bündnispartner*innen, der Drang, jetzt zu han-
deln und nicht zuletzt die Repression hindern uns
auch ohne Deradikalisierungs-Programme daran,
auf's Ganze zu gehen.
Wir wollen mit Aktivist*innen und Sympathisant*-
innen verschiedener sozialer Bewegungen diskutie-
ren, wie Radikalisierungsprozesse in Gang gesetzt
und aufrecht erhalten werden können.
Programm
10.00 Begrüßung
10.15 Inhaltlicher Einstieg
10.30 Podiumsdiskussion
Deradikalisierung durch Bundesprogramme gegen
Rechtsextremismus und Rassismus (Paul
Buchmann)
Subversive Theorie und Praxis (Felix Klopotek)
Radikale Praxis als notwendiger Teil linker
Bewegung (Thomas Walter)
Radikaler Aktivismus in Umwelt-Bewegungen
(Hanna Poddig)
12.00 World-Café
Bei einem World-Café wollen wir in Kleingruppen
die Fragen die Podiumsdiskussion vertiefen:
Was haben soziale Bewegungen von radikaler
Kritik und Praxis?
Wie sollte eine zeitgemä ße R a di ka l i tä t aussehen?
Welche Rolle spielen Repression, Integration und
Demokratiepädagogik für die Einhegung radikaler
Kritik und Praxis?
Was können verschiedene Bewegungen von den
radikalen Strategien anderer Bewegungen lernen?
Wie lassen sich Radikalisierungsproz e ss e i n Ga ng
setzen?
13.00 Pause
14.30 Workshops
1. Repression als Instrument ständigen
Deradikalisierungsdrucks (mit N.N)
2. Radikal für Klimagerechtigkeit (mit
Klimaaktivist:innen aus Thüringen)
3. «Wie radikal bleiben?» als biographi sc he
Herausforderung (mit Biko+Friends)
4. Organisierung im Stadtteil als
Radikalisierungsstrategie (mit Martin Stahlberg)
5. «Bis jede Grenze fällt» (mit dem Netzwerk Soli-
Asyl Thüringen)
17.00 Pause
18.00 Film/Gespräch
Selbsternannte Perverse bilden im experimentellen
Kurzfilm «Families of Kink» eine Community auf
der Grundlage von Identität, Politik und Sehnsüch-
ten. Sichtbar wird darin eine radikale Absage an bür-
gerliche Familienkonzepte. (Film und Gespräch mit
Filmemacher Simon Schultz)
20.00 Hofkonzert
Zu radikaler Kritik gehört radikale Ästhetik.
Workshops
1. Repression als Instrument ständigen
Deradikalisierungsdrucks
Repression bestraft Militanz und Radikalität. Das
zielt darauf, Bewegungen in illegitime und legitim e
Teile zu spalten. Außerdem drängt schon die Angst
vor der Verfolgung darauf, allzu radikale Ge da nke n
am besten zu vergessen. Wie können wir mit diesem
ständigen Druck umgehen?
mit N.N.
2. «Wie ra di kal b l ei be n? » als
biographische Herausforderung
Biographisch betrachtet ist Radikalität oftmal s e i ne
Phase: «Streiche von Kindern besserer Leute», wie
F. J. Degenhardt über die 1968er-Revolte gesungen
hat. Nach einem kurzen Input diskutieren wir, wie
sich Bedingungen herst e l l e n lassen, unter denen wi-
derständige Lebensentwürfe auch mit zunehmendem
Alter möglich bleiben.
mit Biko+Friends
3. Organisierung im Stadtteil als
Radikalisierungsstrategie
Ausgehend von konkreten Organizing-Erfahrungen
in einem Plattenbauviertel in Cottbus diskutieren wir
über Stadtteilarbeit als Strategie, Radikalisi e rungs-
prozesse in Gang zu setzen.
mit Martin Stahlberg
Ort und Zeit
Die Tagung findet am 16.10.2021 von 10-22 Uhr in
den Räumen der Offenen Arbeit Erfurt (Al l e rhei l i -
genstraße 9, Hinterhaus) statt.
Wir tagen mit Maske und Abstand und bitten a l l e
Teilnehmer*innen, sich vor der Tagung auf Covid-19
zu testen oder testen zu lassen.
Die Teilnehme r*i nne nza hl der einzelnen Workshops
und Diskussionen wird möglicherweise begrenzt.
Eine vorherige Anmeldung garantiert euch die Teil-
nahme.
Hintergrund
«Radikalisiert euch!» ist ein Projekt des Instituts für
Radikalisierungsforschung beim Bildungskollektiv
Biko in Kooperation mit der Offenen Arbeit Erfurt
und der Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen. Mit
verschiedenen Formaten wollen wir eine Kritik am
verkürzten Denken und der autoritären Stroßrichtung
von Deradikalisierungs-Ansätzen leisten und einen
positiven Begriff von Radikalit ä t e nt wi c ke l n.
Kontakt
Das Institut in Gründung sucht Mitstreiter*innen
und ist erreichbar über irf@arranca.de.
2. Radikal für Klimagerechtigkeit
Das Weltklima erhitzt sich im Moment so stark wie
noch nie in der Geschichte der Menschheit und löst
eine unumkehrbare Zerstörung unserer Lebens-
grundlagen aus. Ursächlich dafür ist die kapitalisti-
sche Wirt sc ha ft we i se , sowi e die fortgesetzte (neo)-
koloniale Ausbeutung von Menschen und Natur. Als
Teil der radikalen Klimagerechtigkeit sbe we gung
kämpfen wir gegen diese Zerstörung und in Soli-
darität mit anderen linksradikalen, feministischen
und antirassistischen Bewegungen für eine Gesell-
schaft, die sich an den Bedürfnissen aller Menschen
orientiert. Wir diskutieren, wie sich dieser Anpruch
in eine radikale Praxis hier vor Ort übersetzen lässt.
mit Klimaaktivist:innen aus Thüringen
5. «Bis jede Grenze fällt»
Antirassismus umfasst Bemühungen auf recht unter-
schiedlichen Ebenen: Es geht um weniger diskrimi-
nierende Sprache, Reflexion verinnerlichter Rassis-
men, Gleichberechtigung auf dem Arbeitsmarkt, die
Anerkennung kolonialen Unrechts, die Umvertei-
lung global ungleich verteilter Mittel oder das Ver-
hindern von Abschiebungen. Für einige dieser Poli-
tiken gibt es Fördermittel, andere werden unter Stra-
fe gestellt. Das Netzwerk Soli-Asyl ist praktisch so-
lidarisch mit Menschen, die gegen ihre Abschiebung
kämpfen. Wi r di skut i er en, w ie dabei radikaler Anti-
rassismus konkret umgesetzt werden kann.
mit dem Netzwerk Soli-Asyl Thüringen